Wenn Schüler schreiend durch Flure laufen und die Angst vorm "weißen Mann" geschürt wird, wenn Schüler verdreckt vom Fußballplatz kommen und das Essen mit Riesenbissen hinuntergeschlungen wird, weiß jedermann: Es ist wieder Schullandheimzeit.
Vergangene Woche ging es für die diesjährige 6. Klasse der Wirtschaftsschule Deggendorf zusammen mit der Klassenleiterin StRin Kathrin Grimm und OStR Reinhold Altmann auf ins Schullandheim. Die sogenannten "Kennenlerntage" sollten das Miteinander der Schüler fördern und ihnen die Möglichkeit geben, auch einmal außerhalb des normalen Schulalltags Zeit zusammen zu verbringen. Unter dem Motto "Wer bist du? Wer sind wir?" waren vor allem Wertevermittlung, Stärkung der Sozialkompetenz und eine gute Klassengemeinschaft die wichtigsten Ziele. Für die meisten Schülerinnen und Schüler war es zudem eine sehr wichtige Erfahrung, drei Tage ohne Computer, Fernsehen, Spielekonsole und Eltern die Gemeinschaft in einer größeren Gruppe zu erleben und dabei ihre Achtsamkeit und gegenseitige Rücksichtnahme zu schärfen.
In St. Englmar angekommen, wurden die zweckmäßig eingerichteten Zimmer sowie das gesamte Areal von den Schülern sofort eingenommen. Umgeben von grünen Wiesen, sanften Hügeln und Wäldern konnten die Kinder über den Rasen toben, sich beim Fußball auf dem Platz verausgaben und sich zum Tischtennis oder Kickern ins Warme zurückziehen.
Daneben standen auch zahlreiche Aktivitäten auf dem Programm.
Da das Schullandheim Sankt Englmar einen besonderen Bezug zum Wasser hat, beschäftigten sich die Schüler mittwochnachmittags unter der Leitung von Frau Haas mit dem Kreislauf des Wassers und dem Leben im Wasser. Kaum 200 Meter vom Schullandheim entfernt, entspringt das Wasser in einer Quelle und plätschert von dort hinunter ins Tal. Mit Keschern bewaffnet entdeckten die Schüler an diesem Bachlauf viele interessante und fremdartige Tierchen und lernten deren besonderen Anpassungen an das feuchte Element kennen. Darüber hinaus gaben diese auch Auskunft über eine sehr gute Wasserqualität.
Abends gestalteten die beiden Lehrkräfte einen Erlebnispädagogik-Parcours der besonderen Art. Dabei mussten die Schüler gemeinsam diverse Tests und Proben bestehen, die zumindest auf den ersten Blick unlösbar erschienen. Zu diesen gehörten: Wie entkommen wir einer Spinne, ohne sie aufzuwecken? Wie drehen wir einen Teppich um, ohne uns die Finger schmutzig zu machen? Wie bleiben unsere Hände gemeinsam auf dem Tisch? Wie markieren wir blind unser Territorium? Wie transportieren wir gleichzeitig einen Ball von A nach B?
Der Abend kam danach so in Fahrt, dass sich die Schüler im Anschluss mit selbstgestellten Aufgaben übertrumpften, wie zum Beispiel "Wie entkommen wir geschickt dem Erlernen des Schuhplattlers von Herrn Altmann?" oder "Wie erschrecken wir am besten Frau Grimm, ohne uns selbst zu erschrecken?" und "Wie verstecken wir uns im Bett am besten vor dem bösen, weißen Mann"?
Mit den Fragestellungen "Was schafft Vertrauen?" "Warum entsteht Misstrauen?" und "Wie wichtig ist Vertrauen in der Gruppe?" leitete Frau Baumeister den Donnerstagvormittag ein. Eine Mischung aus Teamtraining und Vertrauensübungen ermöglichte den Schülern, untereinander Kontakte herzustellen und neue Beziehungen zu knüpfen. Insbesondere den sogenannten "Chaosball" beherrschte die Klasse sehr gut. Bis zu acht Bälle gleichzeitig warfen sich die Schüler in einer bestimmen Reihenfolge dabei gegenseitig zu. Besonders beeindruckt war Frau Grimm von der "Blindenführung" allein durch das Hören eines bestimmten Instrumentes. Dem steten Klang folgend gingen so die Schüler einen vordefinierten Weg entlang.
Nachmittags lud der Baumwipfelpfad in Maibrunn die mit dicken Jacken und Schirmen ausgerüsteten Teilnehmer zu naturkundlichen Betrachtungen ein. Von dem höchsten Punkt aus, der einige Meter über den Baumkronen lag, hatte man leider nur einen nebelverhangenen Blick über das Donautal. An den Baumwipfelpfad schlossen sich ein naturkundlicher Lehrpfad sowie der Pfad der "Optischen Phänomene" an. Der sogenannte "Beuchet-Stuhl" machte zur Freude aller, Lehrer zu Zwergen und Schüler zu Riesen. Im "Haus am Kopf" ging die Illusion der optischen Phänomene weiter. In dem liebevoll eingerichteten Heim herrschte nahezu eine komplett verkehrte Welt. Hier stand das gesamte Mobiliar im wahrsten Sinne Kopf - selbst Puppen und Feuerwehrautos in der Spielecke hingen "an der Decke". Nur die Treppe war korrekt eingebaut worden, um einen Zugang zum Obergeschoss zu ermöglichen. Durch die zusätzliche Längs- und Querneigung wurde das Wahrnehmungssystem der Sechstklässler beim ersten Betreten des Hauses zunächst ganz schön ins Schleudern gebracht. Vorsichtig tasteten sich die Schüler deshalb durch die Räume. Selbst der Gang über die eigentlich waagerecht installierte Treppe erschien für sie abenteuerlich. Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase kam aber dann das Beste: die Fotos! Ganz ohne jegliche Akrobatik entstanden - um 180° gedreht - lustige Erinnerungsfotos.
Ein wichtiger Bestandteil der Kennenlerntage war auch die Einführung des Klassenrates. Dieser ist das demokratische Forum einer Klasse. In den Sitzungen beraten, diskutieren und entscheiden die Schülerinnen und Schüler über selbstgewählte Themen. Nachdem die Kinder die Zusammensetzung, die Abfolge und die Aufgaben eines Klassenrates mit ihrer Klassenleiterin erarbeitet hatten, war die Durchführung einer ersten Sitzung danach nicht mehr sehr schwer.
Am Freitagvormittag hieß es Abschied nehmen. An der Schule angekommen wurden die Schüler von ihren Eltern freudig in Empfang genommen. Die Tage, die die Schüler miteinander verbringen durften, waren für alle sehr wertvoll, denn sie brachten Lehrer wie Schüler, ein großes Stück näher. Auf dieser Grundlage lassen sich mit Sicherheit nun auch die Aufgaben des bevorstehenden Schuljahres gemeinsam gut meistern.
Bericht: StRin Kathrin Grimm