Nicht nur die Hubschrauber begeisterten die Wirtschaftsschüler aus Deggendorf.

Englische Sprache, Soldaten, Hirsche, Computer und Panzer
Das Fach GSK trifft Englisch auf dem amerikanischen Truppenübungsplatz Grafenwöhr – Gedanken zu einer Exkursion der zehnten Klassen an der Wirtschaftsschule!

In diesem Schuljahr besuchten die zehnten Klassen der Staatlichen Wirtschaftsschule Deggendorf, den drittgrößten Truppenübungsplatz in Europa, Grafenwöhr. Die Exkursion zeigte den Schülern sehr deutlich die Vernetzung einer modernen Sprache mit historischen und sicherheitspolitischen Gesichtspunkten, denn ohne Kommunikation und modernste Kommunikationsmittel läuft auch im militärischen Bereich gar nichts mehr…

Am Anfang gings ziemlich daneben…
Als im Jahre 1907, zur Eröffnung des Truppenübungsplatzes, der Kanonier Michael Kugler vom zweiten königlich bayerischen Fußartillerie Regiment die 13 cm Granate aus einer von vier Pferden gezogenen und von sechs Mann zu bedienenden Kruppschen Feldhaubitze abfeuerte, ging die Vorführung gleich mal gründlich daneben. 800 Meter vor dem Ziel gab die Granate ihren Geist auf und blieb liegen. Dieser Fehlschuss zeigte, dass es um die Artillerie der königlich bayerischen Armee wirklich äußerst schlecht bestellt war und die Kanoniere den Truppenübungsplatz zur Ausbildung dringend benötigten.
Diese Notwendigkeit dieses „steten Übens“ hat sich trotz modernster Technik und hochqualifizierter Ausbildung bis heute noch nicht geändert, gerade wegen der weltweit kritischen politischen Lage müssen die Truppen der NATO mit schweren Waffen üben und das geht häufig nur in Grafenwöhr. Im Jahr 2015 wurde der Übungsplatz in seiner Bedeutung erneut hochbewertet, die US-Army stationierte das Material für eine zusätzliche schwere US-Heeresbrigade in Grafenwöhr.
Aber zurück ins königliche Bayern, am 12. August 1904 fiel die Entscheidung für die Errichtung eines neuen Truppenübungsplatzes in Grafenwöhr für das aufgestellte III. Bayerische Armeekorps. Er sollte auf einem Gelände von 90 km2 errichtet werden. Allerdings lebten in diesem Gebiet 250 Bewohner. Insgesamt mussten zehn Ortschaften zwangsenteignet und ausgesiedelt werden. Pioniere führten riesige Rodungsarbeiten durch. Wegenetz, Wasserversorgung, Kanalisation, elektrische Beleuchtung und Eisenbahnanschluss folgten. Hinzu kamen noch die Schießbahnen, eine Feldbahn, eine Fliegerstation und ein Truppenlager für 4 800 Mann und 1 200 Pferde. Das Üben konnte beginnen…
Die beiden Weltkriege steigern die Bedeutung des Platzes
Im 1. Weltkrieg wurde der Truppenübungsplatz erneut vergrößert. Die Anforderungen des modernen Kriegsgeschehens forderten auch weitere Spezialisierungen in den Bereichen „Schützengrabenkrieg“ und „Häuserkampf“ auf den Platz.
Die massive militärische Aufrüstung der Nationalsozialisten für den 2. Weltkrieg führte zu einer erneuten Erweiterung des Truppenübungsplatzes. Die Nationalsozialisten siedelten noch einmal 3 500 Personen aus 57 Dörfern zwangsweise um. Beim Abschied der Bevölkerung von den eigenen Höfen sollen sich dramatische Szene abgespielt haben. Die Ruinen der Kirchen und Friedhöfe dieser alten Dörfer werden heute noch instand gehalten. Die Fläche des Übungsplatzes erweiterte sich somit auf 226 km2. Während des Dritten Reiches war der Truppenübungsplatz auch ständig überfüllt. Alle drei Wochen wechselten sich die Truppen ab. Gefechtsschießbahnen für Infanterie und Panzer wurden geschaffen, das größte Projekt war das Festungskampffeld Grafenwöhr. Hier entstand ein Bunkersystem, um das Beschießen und die Verteidigung des Westwalls am Atlantik zu trainieren. Auch diese Ruinen können noch besichtigt werden.
Der 5. April war dann ein schwarzer Tag für den Truppenübungsplatz. Gegen 11.00 Uhr griffen alliierte Bomberverbände und setzten 15 Minuten lang Bombenteppiche ab. Schwer getroffen wurden Hauptlager, Panzerwerkstätten und der Militärbahnhof. Um ein Haar hätte sich eine noch größere Katastrophe ereignet, wären die Bomben auf das größte Giftgaslager der Wehrmacht mit drei Millionen Giftgasgranaten gefallen.
Eine Verteidigung Grafenwöhrs wurde durch die Deutsche Wehrmacht nur mit „ungenügender Einsatzfreude“ geleistet. Am 19. April marschierten die Amerikaner auf dem Platz ein und der nationalsozialistische Spuk hatte endlich ein Ende.
Die USA übernimmt die Herrschaft
Die Amerikaner richteten sich notdürftig ein und übernahmen den Übungsbetrieb. Ab 1949 kamen wieder regelmäßig größere Truppenteile auf den Platz. Dieser wurde neu gestaltet. Es entstand in der Platzmitte eine 3 000 Hektar große „Impact Area“, in die auch noch heute geschossen wird. Um den Platz herum legte man eine Panzer-Ringstraße an. Bis heute blieben die Amerikaner die wichtigsten Nutzer des Platzes und sind bis heute auch die Hausherren.
In den 80er Jahren änderten sich die Anforderungen an den Truppenübungsplatz. Zwischen den politischen Blocks setzte das Tauwetter ein. Allerdings brachte die Einführung neuer, komplexerer Waffensysteme (M1 Abrams Panzer oder Apache Helikopter) neue Anforderungen in Ausbildung.
Im Jahr 2 000 überprüften die Amerikaner, ob der Übungsplatz geschlossen werden könnte. Dann kamen die von Al Qaida durchgeführten Selbstmordattentate vom 11. September 2001. Für die NATO brach eine neue sicherheitspolitische Ära an. Der Übungsplatz blieb erhalten.
Erfahrungen der Schüler
Nato ganz nah.

Die Schüler haben heute in ihrer Lebensumwelt kaum mehr Kontakt zu militärischen Strukturen. Durch den Rückzug der Bundeswehr aus der Fläche kennen die Schüler häufig selbst den Auftrag der Bundeswehr im demokratischen System nicht mehr. Noch aufregender für sie ist es natürlich, Erfahrungen in einem Grenzbereich, wie es Grafenwöhr ist, zu erleben. Da ja dort zahlreiche NATO Kontingente aus verschiedenen europäischen Ländern üben.
Die Englischlehrerin Frau Cornelia Griesbeck organisierte zusammen mit dem Geschichtslehrer Herrn Christoph Schneider diese Exkursion für die 10. Klassen der Staatlichen Wirtschaftsschule Deggendorf. „Englisch meets Geschichte“ war das Motto. Die Schüler sollten lernen, mit amerikanischen Soldaten über aktuelle politische Probleme Konversation zu halten.
Geführt wurden die Schüler vom Pressesprecher der US-Army.
Nach der Grenzkontrolle auf den Platz, fuhren die Schüler zu einer kurzen Besichtigung der neuen Housing Area „Netzaberg“, einer völlig neuen Wohnsiedlung der US Army, danach wurde erst mal im amerikanischen Ladenzentrum zu Mittag gegessen. Schon hier begannen die Schüler zaghaft mit der Kommunikation mit den amerikanischen Soldaten. Man befand sich wirklich in einer völlig anderen Welt. Mitten in Deutschland musste sie plötzlich mit Dollars zahlen und alle redeten nur noch Englisch. Die Benzinpreise wurden in Barrels berechnet und es gab richtige amerikanische Straßenkreuzer zu bewundern.
Im Anschluss besichtigte man das „Airfield“. Dort wurden die Schüler von den Rettungsfliegern der US-Army und ihren Sikorsky UH-60, Black Hawks, erwartet. Die Piloten und Sanitäter, die gerade aus Afghanistan zurückgekommen waren, begegneten den Schüler außerordentlich freundlich und erzählten einige ihrer Erlebnisse und auch das alles in Englisch.
Im Anschluss fuhr man auf der Panzerstraße in den Übungsplatz. Im Rahmen des Vortrags ging der Pressesprecher auch auf die Themen: „Umweltschutz“ und auf die „Geschichte des Truppenübungsplatzes“ sehr intensiv ein.
Aber die Rundfahrt war noch längst noch nicht zu Ende. Langsam begab man sich zum Bleidorn-Tower. Dort konnten die Schüler einen Blick in das Zielgebiet werfen, außerdem besichtigten sie auf einem Ziegelstein ein Zeugnis von Elvis Presley, der in Grafenwöhr seinen Militärdienst ableistete. Auf Militärkarten erläuterte der Pressesprecher den Schülern die ganze Anlage genauer und so konnten sie erstmals erfassen, welche gewaltige Dimensionen diese militärische Anlage umfasst.
Im Anschluss besichtigte man noch im Rahmen einer kleinen Rundfahrt einige herausragende Punkte des Übungsplatzes. Erläutert wurden auch die hochtechnisierten Computerfarmen, in denen auch Simulationen durchgeführt werden können.
Zum Abschluss besuchte man noch das im Dritten Reich angelegte Bunkerfeld. Selbst den Amerikanern ist es nicht gelungen diese alten Bunkeranlagen, die die Invasion in der Normandie aufhalten sollten, zu sprengen und so türmen sich die ehemaligen Bunker als zertrümmerte alte Riesen auf, zur Mahnung an die schreckliche Zeit des Krieges.
Die Schüler waren über diese völlig andere Lebenswelt auf dem Truppenübungsplatz in Grafenwöhr sehr erstaunt. Mitten in Deutschland fühlte man sich plötzlich in ein völlig anderes Land katapultiert, das sich angefangen vom Benzinpreis bis zum Essen hin sehr von Deutschland unterscheidet. Die Lehrfahrt war, wie alle einstimmig sagten, wirklich sehr gelungen und eine spannend Exkursion der völlig anderen Art.
OStR Christoph Schneider