Neues Buch dokumentiert das Kriegsende in Deggendorf (PNP 23.02.2016)
Deggendorf. Das neue Lesebuch zum Ende des Zweiten Weltkriegs in Deggendorf wurde von Oberbürgermeister Dr. Christian Moser im vollbesetzten Historischen Saal des Alten Rathauses präsentiert.
Es ist ein Lesebuch, Kriegs- und Nachkriegskrimi, Generationendialog, Zeitzeugenprojektbericht und zugleich eine sehr sorgfältige Geschichtsdokumentation: "70 Jahre danach" heißt das neu erschienene Lesebuch zum Ende des Zweiten Weltkriegs in Deggendorf. Darin sind die Ergebnisse des einmaligen, einjährigen geschichtlichen Zeitzeugenprojekts zusammengefasst, das zusammen mit dem Berliner Anne Frank Zentrum an sieben Deggendorfer und Landkreis-Schulen sowie in Zusammenarbeit mit dem Senioren-Aktiv-Club, dem BRK-Seniorenheim und dem Haus der Diakonie durchgeführt wurde.
Dokumentiert ist darin auch die Ausstellung "Geschichtsmeile", die am 26. April 2015, also am Vorabend des Jahrestags des Kriegsendes in Deggendorf, im Stadtmuseum eröffnet worden war.
"Siebzig Jahre ist es her, dass ein Regime endete, das diesen Zweiten Weltkrieg mit seinen vielen Millionen Kriegsopfern – Toten und Verwundeten, Obdachlosen, Flüchtlingen und Vertriebenen – überhaupt entfesselt hatte. Es war ein Regime, das alle Andersdenkenden verfolgte sowie Millionen Menschen – politisch Andersdenkende, Juden, Slawen, Sinti und Roma, Kranke und Behinderte – ermordete", konstatierte Oberbürgermeister Moser in seiner Würdigung des Buchprojekts. Im Zentrum des Geschichtslesebuchs stehen über siebzig Deggendorfer Zeitzeugen, die von einer Projektgruppe aus Stadtmuseum, Stadtarchiv und "Geschichtsverein für den Landkreis Deggendorf" zu der Frage interviewt wurden, wie sie das Kriegsende vor 70 Jahren am eigenen Leibe erlebt haben.
"Interviewt wurden die Zeitzeugen von 125 Schülerinnen und Schülern aus der Aloys-Fischer-Schule, dem Comenius-Gymnasium, der Maria Ward Realschule, der Mittelschule Theodor Heuss, dem Robert-Koch-Gymnasium, der Staatlichen Wirtschaftsschule und dem St. Michaels Gymnasium Metten", stellte Geschichtsvereinsvorsitzender Dr. Ernst Schütz, der zusammen mit Professor Dr. Lutz-Dieter Behrendt das Buch redigiert hat, in seiner kurzen Bucheinführung fest.
Dabei wurde er von drei Schülerinnen unterstützt. Simone Haug, Caroline Graßl und Jessica Hees schilderten ihre Eindrücke, Stimmungen und Erwartungen, die bei ihnen und ihren Mitschülern im Zuge der vielen Interviews mit der Kriegsgeneration aufkamen. Wer in dem Lesebuch zu blättern beginnt, den lassen die Texte und Bilder über das schreckliche Geschehen um das Jahr 1945, als das gesellschaftliche Leben in Stadt und Landkreis fast vollständig zusammenbrach, nicht mehr los.
Im Kapitel "Zweiter Weltkrieg und Nachkriegszeit in Deggendorf" heißt es zum Beispiel über die chaotischen Zustände des öffentlichen Lebens: "Wichtigste Aufgabe war es, der allgemeinen Unordnung Herr zu werden, die ausgebrochenen Brände zu bekämpfen, die Toten von den Straßen zu räumen, die Straßensperren und Panzergräben zu beseitigen und die Plünderungen zu beenden, die sowohl von Ausländern, die von der Zwangsarbeit oder aus den Konzentrationslagern befreit waren, als auch von Einheimischen im großen Maßstab begangen wurden."
Mit sehr persönlichen Worten dankte Projektleiterin und Leiterin der städtischen Museen Birgitta Petschek-Sommer in ihrem Schlusswort insbesondere dem Organisations- und Koordinierungsteam, bestehend aus Erich Kandler und Prof. Dr. Lutz-Dieter Behrendt vom Stadtarchiv, Dr. Ernst Schütz vom Geschichtsverein und Ulrike Schwarz vom Handwerksmuseum.
Das Lesebuch "70 Jahre danach" ist nur in Bibliotheken, Büchereien, Schulen und dem Stadtarchiv für interessierte Leser verfügbar, weil es finanziert wurde aus den Förder- und Sponsoren-Töpfen des Anne Frank Zentrums, der Bundesministerien für Inneres sowie für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, der Ernst-Pietsch-Stiftung und der Sparkasse Deggendorf sowie der Bundesprogramme "Demokratie leben!" und "Zusammenhalt durch Teilhabe". Den Buchdruck übernahm der Deggendorfer Verlag Ebner. Bei entsprechender Nachfrage werde vielleicht demnächst eine zusätzliche kleine Auflage für den Verkauf möglich sein, kündigte Projektleiterin Petschek-Sommer an.
Umrahmt wurde die Buchvorstellung von Marlene Sandner an der Querflöte und Gabriel Wiedon am Klavier.− rüs